Bevor das Schreiben von Geschichten für mich ein größeres Thema wurde, konnte ich mir nie vorstellen, was eine Person ausmacht, die ihren Lebensunterhalt mit genau dieser Tätigkeit verdient. Zugegeben, es waren auch damals schon Tendenzen vorhanden. Heute kann ich mir gar nicht mehr vorstellen, wie ein Leben aussieht, an dem nicht täglich mindestens ein Text entsteht.
Meine frühen Schreibtendenzen:
1. Ich habe meine erste Brieffreundin bereits mit acht Jahren gehabt. Es war eine Verwandte, die zu jener Zeit keinen Kontakt zu uns hatte. Ich war neugierig und fragte meinen Vater, ob ich ihr einen Brief schreiben durfte. Sie antwortete mir und es entstand ein regelmäßiger Austausch. Erst Jahrzehnte später erfuhr ich, dass dieser Brief sie dazu brachte, wieder Kontakt zu uns aufzunehmen. So lernte ich, dass schreiben verbinden kann. Nach ihr folgten noch weitere Brieffreundschaften, kurze, längere, in Deutschland und überall auf der Welt. Es war sehr spannend.
2. Ich liebe Papier – das Einzige, was noch besser ist als Papier, ist: bedrucktes Papier! Oder Beschriebenes oder Bemaltes.
3. Ich habe immer intensive Tagebuchphasen gehabt, habe lange Zeit Morgenseiten geschrieben und habe auch heute immer ein Journal auf dem Tisch liegen. Abgesehen von lauter wichtigen Notizzetteln, die sich in unterschiedlichen Haufen, auf dem Schreibtisch stapeln und wichtige Gedanken festhalten. Und obwohl ich inzwischen der Umwelt zuliebe auf mein Handy umgestiegen bin und dort eine Notizapp und einen Kalender verwende, breite ich meine Gedanken doch immer noch am liebsten auf Papier aus.
Neigungen, die später dazu kamen:
4. Ich schreibe inzwischen überall und zu jeder Tages- oder Nachtzeit. Anfangs war es mir schwergefallen. Ich habe sehr viel Ruhe für den Schreibprozess gebraucht. Manchmal ging es nur abends, nur nachts oder nur früh am Morgen. Zuallererst ging es nur handschriftlich, dann nur am Computer. Inzwischen kann ich immer und überall schreiben. Ich brauche nur ein Medium, ein paar Minuten Ruhe und schon bin ich drin. Mein Sohn ist anderthalb Stunden beim Tischtennis und ich will die zehn Kilometer nicht zweimal fahren, um ihn hinzubringen und wieder abzuholen? Dann warte ich eben im Wagen auf dem Parkplatz und schreibe am Handy einen Blogartikel, notiere mir Ideen für Artikel oder schreibe einfach die nächsten fünfhundert bis eintausend Wörter meines Romans in einer Notizapp. (Solange die Temperaturen draußen nicht unter 5°C sinken, versteht sich.)
5. Mein Schreiben verbessert sich. Ich werde immer schneller und schreibe in einer sich bessernden Qualität. Nein, ich vergleiche mich nicht, schon gar nicht mit anderen und ja, es ist noch jede Menge Luft nach oben. Aber ich mache das jetzt seit einer ganzen Weile und merke, dass ich mich immer weiter entwickle. Meine ersten Schreibergüsse sind längst nicht mehr mit dem vergleichbar, was ich heute fabriziere. Ich freue mich darüber sehr, weil ich noch einige alte Geschichten in meinen digitalen Schubladen aufbewahre, die ich damals nicht zufriedenstellend beenden konnte, da mir die Erfahrung fehlte. Viele von ihnen waren mir sehr wichtig, und so kann ich nun nach und nach zu ihnen zurückkehren und sie aufbessern oder neu schreiben. Trotzdem hat mein Schreibstil noch Verbesserungsbedarf und ich freue mich sehr auf diese fortlaufende Entwicklung.
6. Es macht mir unheimlich viel Spaß. Eine Zeit lang dachte ich, ich wäre computerspielsüchtig. Ich kann dich und mich beruhigen: Ich bin es nicht. Denn die Geschichten, die ich mir selber ausdenke, gefallen mir viel besser, als die, die ich in Computerspielen erlebe. Folglich halte ich mich lieber in meinen eigenen Geschichten auf oder denke mir Neue aus. Oder schreibe auf meinem Blog darüber, dass ich Geschichten schreibe.
7. Der Tag fühlt sich nicht richtig an, wenn ich nicht geschrieben habe. Was soll ich sagen, es kommt einfach mal vor. An manchen Tagen ist es ungünstig, weil sich Schreiben einfach nicht unterbringen lässt, aber das macht nichts. Weil diese Tage wirklich sehr sehr selten sind.
8. Ich kann fast so schnell schreiben wie denken. Das ist großartig, denn meine Szenen verändern sich manchmal, während ich sie schreibe mehrmals und so kann ich alles gleich wunderbar anpassen.
9. Man gewinnt ein gewisses Faible für Schreibprogramme und Formatierungsmöglichkeiten. Ich halte das einfach für eine nicht zu verhindernde Erweiterung der Tätigkeit. Obwohl ich schon sagen muss, die Begeisterung, diese Programme zu nutzen, sie zu entdecken und sich mit anderen Schreibfanatikern darüber auszutauschen ist mehr als nur nützlich. (Auch wenn es echt nerdig ist.)
10. Wenn in der Familie irgendein Schriftstück entworfen werden soll, egal ob Entschuldigung, Geschäftsbrief oder Geburtstagskarte… na ihr könnt ja mal raten, wer sich in meiner Familie drum kümmert. (Spoiler: Es ist nicht der Weihnachtswichtel.)
11. Ich habe mich der erschreckenden Erfahrung gestellt, meine unfertigen Romane einer Testleserschaft zum Lesen zu geben. Das war eine riesige Hürde. Die nächste nachdem ich meinen ersten Roman beendet hatte. Wenn ich sagen würde, meine erste Testlesererfahrung war nicht der Rede wert, würde ich lügen. Es war anstrengend die Bewertung über mich ergehen zu lassen, obwohl sie wirklich sehr freundlich an mich herangebracht worden ist. Meine Texte haben sich dadurch sehr verbessert. Darum war es ein wichtiger Schritt.
12. Nach meinen Erfahrungen mit der Testleserschaft hat es unglaublich lange gedauert, bis ich mich meiner ersten Lektoratserfahrung stellen konnte. Aber auch diese liegt nun hinter mir und hat mein Schreiben wieder auf eine andere Ebene gehoben.
13. Jedes Mal wenn wir malen oder singen, fühlt es sich so an, als legten wir einen Teil unserer Persönlichkeit frei und gewähren einen tiefen Blick in unsere Seele. Und ein Stück weit ist es auch so. Genauso verhält es sich auch beim Schreiben: Unser Blick auf die Welt liegt in unseren Wörtern. Und eigentlich ist es doch ganz klar, denn beim Sprechen sagen wir zwischen den Zeilen auch sehr viel. Aber beim Schreiben hat es eine endgültige Form. Das geschriebene Wort bleibt. Es steht auf Papier, schwarz auf weiß. (Nun, es könnte in gedruckter Form schwarz auf weiß stehen.) Es gibt Menschen, die das geschriebene Wort für bare Münze nehmen, egal wer es geschrieben hat, denn warum sonst, sollte man sich die Mühe machen, Dinge aufzuschreiben? (Wenngleich es natürlich wichtig ist, immer kritisch zu bleiben.)
14. Wer schreibt, trägt Verantwortung, für das, was er in bleibende Worte bannt. Reflexion ist also nicht nur wichtig, für die Art und Weise, wie wir mit unseren Liebsten oder der direkten Mitarbeiterin umgehen.
15. Schreibende lesen viel. In erster Linie sind wir gezwungen, uns permanent mit unseren eigenen Texten auseinanderzusetzen. Davon abgesehen bildet sich das Schreiben zwangsweise über das Lesen. Wir lernen aus den Schriftstücken anderer, ziehen unsere Rückschlüsse, kombinieren gelesenes mit unserem eigenen Weltbild. Das gilt nicht nur für die Inhalte, sondern auch für die Technik, den Stil und die Wortwahl.
Fazit: Für mich persönlich liegt das Schreiben nicht nur in meiner Tätigkeit als Autorin. Gleichwohl blogge ich unheimlich gern, taste mich an meinen Newsletter heran und lese viel. Außerdem schreibe ich immer noch gern auf Papier in Form von Journalling, Bulletjournalling, To-Do-Listen, Tagesplänen und dem Schreiben von Postkarten. (Auch wenn es total veraltet ist, aber ich finde die Geste dahinter sehr schön.)
Was sind deine Schreibmerkmale?



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