Als Challenges damals in den sozialen Medien und bei YouTube aufkamen, war ich nicht so sehr begeistert. Trends sind nicht ganz mein Fall, vor allem wenn sie sich so rasant ausbreiten wie ein Waldbrand im trockenen Sommer. Meiner Meinung nach müssen Phänomene erst einmal länger durchdacht und beobachtet werden, bevor man sich Hals über Kopf hineinstürzt. Ganz die Introvertierte, die ich bin. Außerdem habe ich keinen Sinn dahinter gesehen, wenn man sich Kübel voller Eiswasser über den Kopf kippt oder Chips futtert, die so scharf sind, dass der Genuss tödlich sein könnte. Aber das ist ein anderes weites Feld und Challenges beziehen sich nicht nur auf Mutproben.
Inzwischen habe ich einige Challenges hinter mich gebracht, die mir sehr geholfen haben mich in eine Richtung weiter zu entwickeln, in der ich mich gerne sehen möchte und sie mir geholfen Routinen zu bilden, die mir wichtig sind.
Was sind Challenges?
Challenge ist ein englisches Wort und bedeutet Herausforderung. Challenges sind aus den sozialen Medien bekannt, dort erregen sie immer wieder Aufsehen in Form von Herausforderungen die viral gehen und in kürzester Zeit auf der ganzen Welt bekannt werden. Mal sind es Tanz-Challenges, manchmal sind es traurigerweise auch sinnlose Mutproben, die wirklich gefährlich sind. Eine Challenge kann aus einer einzelnen Handlung bestehen oder sie kann sich über einen längeren Zeitraum erstrecken, in dem am Ende ein Ziel erreicht werden soll. Über Letztere sprechen wir heute: Entwicklungs-Challenges über einen längeren Zeitraum.
Warum sollte ich eine Challenge machen?
Sie geben uns den Rahmen, um aktiv herauszufinden, ob das, was wir erreichen wollen überhaupt ein Thema für uns ist. Sie machen aus dem Wollen eine Verbindlichkeit. Wir können den Zeh kurz ins Wasser halten und testen, ob unser Wunschdenken an das Ziel, mehr ist als nur eine liebgewonnene Vision, die gar nicht zu uns passt. Möchte ich beispielsweise wirklich vegan leben? Eine Challenge in der du an einem Tag in der Woche vegan kochst, kann dir helfen, die Frage für dich zu klären.
Wie arbeiten Gruppen-Challenges?
In der Effektivität von Gruppen-Challenges ist der Gemeinschaftssinn ein wichtiger Aspekt. Wenn eine Gruppe von Menschen sich dazu verabredet in einer Woche jeden Tag mindestens fünftausend Schritte zu gehen, dann erzeugt die Verabredung einen Gemeinschaftsdruck, der die meisten Teilnehmenden voran drängt.
Das ist wie die Kraft hinter dem Nanowrimo, die selbst noch nach dem Zusammenbruch der Organisation weiterwirkt. Bekannt ist auch der Inktober unter Illustratoren und Künstlern, die im Oktober jeden Tag eine kleine Zeichnung mit Tusche oder Tinte anfertigen (, um eine Zeichenroutine zu entwickeln).
Wie können Challenges bei der persönlichen Weiterentwicklung helfen?
Durch den Gemeinschaftsdruck fühlen wir uns gezwungen zu liefern. Wir orientieren uns aneinander und das stärkste Zugpferd in der Gruppe gibt häufig Richtung und Tempo an. Durch eine solche Form der gemeinsamen Zielverfolgung können lang gehegte Träume auf einmal in greifbare Nähe rücken. Hier kann der Gruppenzwang eine positive unterstützende Wirkung entfalten.
Challenges können so kraftvoll sein, dass sie uns helfen eine Gewohnheit in unser Leben zu ziehen. Vor allem bei Gewohnheiten, mit denen wir schon lange liebäugeln, die wir aber einfach nicht integriert bekommen, kann eine Challenge wirklich Wunder wirken.
Wie kann ich eine Challenge in meinen Alltag integrieren?
Wenn keine gemeinschaftlichen Zeiten vorgegeben sind, kannst du dir eine Tageszeit heraussuchen, die für dich persönlich am besten passt. Ich versuche mir für Challenges, die einen starken Fokus, und klares Denken benötigen, die frühestmögliche Zeit des Tages freizumachen. Am schönsten ist es für mich morgens im Dunkeln, bevor der Tag im ganzen Haus anbricht und es noch still bei uns ist. Bei Challenges, die mich nicht ganz so stark fordern, wie beim Lesen (zum Vergnügen) oder beim Illustrieren (da lasse ich gern eine Serie nebenher laufen), lege ich die Zeit gern in den Nachmittag oder frühen Abend.
Entscheide also am besten wie viel Energie du brauchst und zu welcher Tageszeit du sie am ehesten haben wirst.
Stelle dir zu der von dir gewählten Zeit einen Timer und wenn er klingelt, dann setzt du dich an deine Challenge. Komme, was wolle. Denk dran, wenn du in der Gruppe bist, die anderen arbeiten auch daran. Und am wichtigsten ist: Du willst weiter kommen. Nach der Session, die jetzt vor dir liegt, hast du einen Fortschritt gemacht. Egal, wie viel Zeit du dir genommen hast und wenn es nur fünf Minuten waren.
Ergometer Teil 1
Ich will mir schon seit Jahren eine Ergometer-Routine aufbauen und ich glaube, ich komme gerade um eine Challenge nicht herum.
Aktuell steht unser Ergometer mitten im Esszimmer. Er ist riesig, trotzdem neige ich ständig dazu, fast an ihm hängen zu bleiben, weil ich nicht erwarte, dass seine Standbeine sich dort am Boden befinden, wo sie sich befinden. Seit ewigen Zeiten will ich mir die Routine aufbauen abends einige Minuten auf dem Ergometer zu verbringen. Bisher stand er hinten in der Ecke, dort wo man nicht über ihn fällt, wo er nicht stört und wochenlang Bettlaken auf ihm trocknen können. Denn er befindet sich pratkischerweise direkt an der Heizung.
Es ist mir zu umständlich, einmal um den großen Esszimmertisch herumzulaufen, das Ding von der Wand abzuziehen, mir ein Fernsehprogramm zu suchen und mich drauf zu setzen.
Ein verlorenes Unterfangen?
Sollte ich eine Challenge dokumentieren?
Mir hat es in meiner Frühschreibgruppe geholfen, meine Wörter täglich zu tracken. Ich habe mir drei Wortziele gesetzt, von denen bereits der niedrigste Wordcount eine kleine Herausforderung war, von der ich aber wusste, dass ich sie schon einige Male erreicht hatte. Nach einer Weile hatte ich es geschafft, das mittlere Ziel häufiger zu erreichen. Also wurde es das neue niedrigste Ziel. Mir hat es geholfen. Trotzdem habe ich mir die Option offengelassen, ohne die Ziele zu arbeiten, wenn der Druck so stark werden würde, dass er mich blockiert.
Am besten ist es, wenn du damit experimentierst. Viele Leute fühlen sich durch eine explizite tägliche Zielsetzung zu stark unter Druck gesetzt. Oft ist schon der Weg, die tägliche Organisation zu durchlaufen, überhaupt an der Challenge teilzunehmen eine Hürde, an deren ständige Überwindung man sich erst einmal gewöhnen muss.
Andererseits zeigt die Dokumentation die wachsende Entwicklung an, was einen enorm motivierenden Effekt haben kann. Du musst für dich herausfinden, was dir eher helfen wird.
Wie mache ich eine Gewohnheit aus der Challenge?
Wenn eine tägliche Challenge über einen längeren Zeitraum durchgeführt wurde, stellt sich ein Lerneffekt im Kopf ein. Allmählich gewöhnen wir uns an die Challenge und sie entwickelt sich beinahe zu einer Routine. Wenn diese neue Gewohnheit eine Handlung beinhaltet, die du dir in deinem Leben gewünscht hast, dann bleib einfach noch ein paar Tage länger dran. Nach dreißig Tagen bilden sich Routinen. Nach sechzig setzen sie sich, nach neunzig Tagen sind sie Bestandteil unseres Lebens. Und wenn wir ihr noch etwas länger Zeit geben, brauchen wir nicht einmal mehr die feste Tageszeit, um sie durchzuführen. Wir haben sie so sehr verinnerlicht, dass es uns fehlt, wenn wir ihr nicht nachgegangen sind. Unser Körper und unser Kopf haben die Gewohnheit so sehr verinnerlicht, dass wir von selber nach einem Zeitfenster suchen, in dem wir sie unterbringen können.
Muss ich meine Challenge vorbereiten?
Es kommt auf die Art der Challenge an. Bei einer Schreibchallenge reichen ein Computer und ein Schreibprogramm. Es muss nichts Teures sein. Hauptsache du kannst anfangen. Aber ganz rudimentär gedacht, reicht auch billiges Druckerpapier und ein Kuli vom letzten Messebesuch.
Wenn du bereits mit dem Gedanken gespielt hast Nähen zu deinem Hobby zu machen, und wie ich bereits eine Nähmaschine und jede Menge Stoffe im alten Schrank deiner Oma hortest, wirst du vermutlich auch in dieses Projekt direkt starten können. Überprüfe einfach vorher, was da ist, und ob du noch etwas besorgen musst. Am sinnvollsten ist es meines Erachtens immer, wenn man sich nicht erst eine kostspielige Ausrüstung anschaffen muss.
Ergometer Teil 2 – Aufgeben?
Aber ich habe ja meine Schreibroutine durch eine challengeartig agierende Frühschreibgruppe aufgebaut. Und ich habe mir meine Lese-Routine durch eine Challenge zurückgeholt. Ich habe beides so oft getan, das Schreiben und das Lesen, dass ich automatisch ein Buch aufschlage und zu jeder Zeit an jedem digitalen Gerät oder auch mit Papier und Stift schreiben kann. In den haarsträubendsten Momenten kann ich an Texten arbeiten, meist halten mich wirklich nur physische Umstände davon ab.
Darum habe ich mir den Ergometer nun mitten ins Esszimmer gestellt. Es ist jetzt einfach, mich darauf zu setzen, während ich mich mit einem meiner Kinder unterhalte. Ich bin vollkommen untrainiert, also reichen für die ersten Tage ein paar Minuten. Nur die tägliche Routine für den Anfang, der Rest sollte sich ergeben. Wir bleiben mal gespannt.
Wichtig ist also, den Einstieg so einfach wie möglich zu machen. Du willst jeden Tag schreiben? Leg dir am besten schonmal das Dokument an. Du willst jeden Tag joggen gehen? Drapiere deine Laufkleidung sichtbar, dort, wo du dich auf jeden Fall aufhalten wirst, wenn dich dein Timer an deine Laufzeit erinnert. Du möchtest einen Monat lang jeden Tag etwas nähen? Überprüfe vorher deine Nähmaschine, Fadenlauf, deine Nähnadeln, Faden- und Stoffsammlung und baue sie dir an einem Platz auf, an dem du sie eine Weile lang stehen lassen kannst.
Gefahren von Challenges: Gruppenzwang
Bei allem, wo mit Gruppenzwang gearbeitet wird, finde ich es immer wichtig, noch einmal zu sagen: Du allein gibst dein persönliches Tempo an. Du kannst den Aufwind, den eine Challenge erzeugt für dich nutzen und aus dir rausholen, was möglich ist, aber achte dabei immer auf dich. Halte deine persönlichen Grenzen ein und bleibe dir treu.
Behalte dein persönliches Ziel vor Augen und ziehe nicht versehentlich das Ziel eines der anderen Teilnehmer heran. Im Eifer des Gefechtes können Grenzen manchmal verschwimmen. Möglicherweise fühlst du dich beflügelt von der Flut an positiven Gefühlen, die dich im Anblick deines Erfolges überwältigen. Das ist normal und es kann jedem passieren. Du kannst einfach ein paar Schritte zurücktreten, deinen Blick aus der Situation herauszoomen und alles aus der Ferne betrachten. So fällt es dir leichter, dich wieder auf deine Ziele zu besinnen, und dich wieder deinem eigenen Rhythmus anzupassen.
Muss man Challenges zwangsweise in Gruppen machen?
Nein, muss man nicht. Natürlich kannst du dich auch allein einer Challenge stellen. Viele Menschen machen das regelmäßig und sind erfolgreich. Lege einfach deine Bedingungen fest und fange an. Viele meiner Challenges mache ich lieber nur für mich. Manchmal passt es einfach nicht, wenn andere dabei sind.
Aber gerade am Anfang, wenn man sich Herausforderungen noch nicht oft allein gestellt hat, oder wenn man allein nicht erfolgreich war, hilft es, die Kraft der Gruppe zu nutzen.
Ergometer Teil 3 – noch ein Tipp für die Umsetzung
Meine Ergometer Challenge ist wirklich eine sehr starke Herausforderung für mich. Nicht mal eine spannende Serie konnte mich auf dem Ding halten. Inzwischen setzte ich sie jedoch um. Es hat mir geholfen, sie mit einer anderen Tätigkeit zu kombinieren, die ich nur ungern erledige: Wäsche zusammen legen. Ich vertrödele so viel unnütze Zeit mit dem Zusammenlegen der Wäsche, weil ich zwischendurch immer wieder Pausen mache, anstatt einfach durchzuarbeiten und es abzuhaken.
Nun stelle ich mir zwei Stühle neben den Ergometer, werfe die trockene Wäsche auf den Einen, lege beim Strampeln Teil für Teil zusammen und stapele sie auf dem anderen. Damit bleibe ich solange auf dem Ergometer, wie ich Wäsche habe – also mal nur fünf Minuten, mal fünfzehn und ich bin endlich mit der Wäsche schneller fertig.
Es ist also möglich zwei unbeliebte Gewohnheiten zusammenzubringen. Und ich finde es großzeitig, dass ich sie beide gleichzeitig so schnell abhaken kann.
Überlege dir, wie du dich austricksen kannst, um in deiner Challenge am Ball zu bleiben, wenn du merkst, du fängst dich an zu drücken.
Nach der Challenge
Ist die Challenge abgeschlossen, oder abgebrochen (ja, es ist okay, wenn man eine Challenge abbricht) ist der Moment der Rückschlüsse.
Sind wir mit dem Resultat zufrieden? Was hat gut geklappt, was nicht? Wollen wir sie noch einmal durchziehen oder direkt weitermachen? Hat sie uns voran gebracht? Wenn nein, was könnten wir ändern und ist uns der Inhalt überhaupt wichtig? Oder haben wir im Verlauf der Challenge bemerkt, dass uns das Thema gar nicht genug interessiert?
Was bringt uns eine Strickroutine abends vor dem Fernseher, wenn wir die Masse an Mützen gar nicht tragen werden, die wir stricken? Oder wenn uns die Aktivität an sich nicht gefällt.
Vielleicht hast du im Verlauf der Challenge bemerkt, dass dir dein Leben, so wie es vorher war, eigentlich doch ganz gut gefällt.
Egal wie dein Resümee ausfällt, die Challenge wird dir Erkenntnisse geliefert haben. Du hast dich besser kennen gelernt. Vielleicht hast du auch dein Ziel erreicht oder eine neue Routine aufgebaut. Egal was, so lange du mit dem Ergebnis zufrieden bist, hast du etwas Großartiges geschafft.
Was ist, wenn ich nicht durchhalte?
Du solltest immer deinem Gefühl folgen, wenn du merkst, dass sich etwas nicht richtig anfühlt. Wenn dich die Durchführung der Challenge stresst oder auf einmal dein Leben über dich herfällt, kann es dir sogar schaden, wenn du weiter durchziehst. Vielleicht war es einfach nur ein ungünstiger Zeitpunkt und du nimmst dir später einfach noch einmal Zeit für sie.
Challenges haben zu Beginn oft einen aufdringlichen Charakter und würfeln unseren Alltag ein wenig durcheinander, weil wir sie ja nun regelmäßig unterbringen müssen und wir nicht gewohnt sind, uns beständig für sie Zeit zu nehmen. Auch an den Tagen, an denen es wirklich zu viel erscheint.
Es lohnt sich jedoch am Ball zu bleiben. Wenn das Ziel hinter der Challenge wirklich wichtig ist, hilft es die Zähne zusammen zu beißen. Sie integriert sich nach einer Weile in den Alltag und wird zur Normalität. Sie fühlt sich dann nicht mehr schwer oder sperrig an.
Wichtig ist also die Frage nach dem Warum.
Was willst du mit deiner Challenge erreichen?
Willst du einfach nur wissen, ob du durchhalten kannst? Oder willst du ein Ziel damit erreichen, wie beispielsweise eine Rohfassung von fünfzigtausend Wörtern oder dreißig Skizzen für das Portfolio, dass du aufbauen möchtest?
Ein starkes Warum lässt dich eher durchhalten. Aber auch das stärkste Warum kann dich an deine Grenzen bringen. Das ist ganz normal und es ist okay. Einen oder ein paar Tage auszusetzen und sich der Herausforderung nochmal zu stellen ist genauso in Ordnung. Es geht ja nicht darum, dass wir uns so schnell wie möglich in die Erschöpfung treiben, wir wollen hinterher profitieren. Ein bisschen Zähne zusammen beißen ist immer gut, aber es muss maßvoll bleiben.
Welcher Challenge möchtest du dich einmal stellen? Schreibe es mir in die Kommentare!


