Leseprobe zu "Flüstert deine Sehnsucht"

Hier kommt sie, die langerwartete zusätzliche Leseprobe zu „Flüstert deine Sehnsucht“. Auf Amazon kannst du das erste Kapitel Probe lesen. Hier bei mir bekommst du einen Teil des zweiten Kapitels, damit du dir ein Bild davon machen kannst, ob der Roman etwas für dich ist.

Nach und nach wird es auf Social Media noch weitere Insights und Snippets geben. Wenn du dich dort regelmäßig aufhältst, lohnt es sich also vielleicht für dich. Ich versuche, alle Infos zum Buch auf dieser Übersichtsseite für dich zusammen zu fassen.

Viel Spaß beim Lesen!

Flüstert deine Sehnsucht Illa Sabin
Flüstert deine Sehnsucht

Kapitel 2

Er nickte und gähnte. „Milla, vom Blumenladen. Sie braucht unbedingt Hilfe. Und ich kann ihr eigentlich gar nicht helfen, weil ich schon drei Jobs habe.“
„Drei? Einer davon als Fotomodell oder wie?“
Er lachte ein lautes und ansteckendes Lachen. „Das konnte ich bisher noch verhindern.“ Er griff nach der Tür. „Den Schlüssel hast du?“
Ich zog ihn aus meiner Jackentasche und stieg aus.
Ein mulmiges Gefühl ergriff mich. Das Grundstück sah gut aus. Der Rasen hinter dem Friesenwall musste gemäht werden, aber sonst sah das gesamte Gelände ordentlich gepflegt aus. Ich weiß nicht, was ich erwartet hatte. Alles, was ich sah, erschien mir so surreal. Dabei stand hier einfach nur ein altes Haus. Das Gebäude wirkte ganz typisch für das Alter des Hauses und für die Gegend. Laut Nachlassgericht war es ursprünglich ein Reetdachhaus. Der Vorgänger meines Vaters hatte das Reet jedoch gegen Dachschindeln eingetauscht und dafür das gesamte Obergeschoss erneuert. Vor zwanzig Jahren sanierte mein Vater den Hof vollständig. Das Gebäude wies einen guten Verkehrswert auf. Mein Vater sei ein Einzelgänger gewesen. Er hatte keine Partnerin, auch keinen Partner. Er hatte nur mit seiner Mutter hier gelebt. Aber die sei nun fort.
Jasper sah sich auf dem Hof um. Er öffnete das Scheunentor und warf einen Blick ins Innere. Kurze Zeit später kam er wieder heraus und nahm sich den Stall auf der anderen Seite vor. Dort verschwand er ebenfalls für einen Moment und kehrte dann zu mir zurück.
„Auf den ersten Blick ist alles in Ordnung“, sagte er.
„Gab es denn Grund zum Anlass, dass dem nicht so sein könnte?“
„Die Gebäude stehen seit Wochen offen. Jemand oder etwas hätte sich hier einnisten können.“
„Oh. Danke, dass du nachgesehen hast.“
Mit einer beschwichtigenden Schulterbewegung folgte er mir zum Eingang. Vor lauter Aufregung waren meine Hände sperrig und so brauchte ich zwei Anläufe, um den Schlüssel im Schloss herumzudrehen.
Ich trat in einen hellen Flur mit weißbemalten Wänden. Unter unseren Füßen breiteten sich terrakottafarbene Fliesen aus, die in den Neunzigern modern waren. Der größere Teil von ihnen, verschwand unter einem braunweiß gemusterten Teppich. Eine abgedunkelte große Kommode stand links zwischen zwei Türen, ein Schuhschrank unterbrach das starre Weiß der Wand gegenüber neben einer Tür. Rechts von uns, hingen Garderobenhaken und es bot sich ein freier Blick auf das Badezimmer. Ein leicht abgestandener Geruch hing in der Luft, wie er bei Häusern üblich ist, die eine Zeit lang unbewohnt waren.
Jasper trat leise hinter mir ein. Er öffnete eines der Sprossenfenster im Flur. Ich schritt durch die Tür gegenüber in eine aufgeräumte helle Küche. Schränke aus Kiefernholz säumten drei Seiten des Raumes. Ein großes weißes Spülbecken dehnte sich an der linken Wand aus. Dort führte auch eine Tür in eine kleine Kammer, von der aus sich eine weitere Tür in den Hof öffnete. An der mittleren Wand befanden sich ein Kühlschrank und ein Herd, rechts stand ein hölzerner Küchentisch, mit weißen Beinen und vier Stühlen unter einem breiten Fenster, durch welches die Hortensienbüsche und ein kleiner Zierapfelbaum zu sehen waren.
Ganz links in der Ecke fand ich eine Tür, die uns ins Wohnzimmer brachte. Hier entdeckte ich einen Kamin und eine Treppe, die sich in einem weiten Bogen ins Obergeschoss wand. Zwei bequem anmutende weiße Sofas, bedeckt mit karierten Dekokissen und grauen Wolldecken, standen hier. Durch die Tür unter der Treppe landete man wieder im Flur.
Ich hörte, wie Jasper anfing, die Wasserhähne im Haus zu überprüfen, und alle Lichtschalter betätigte.
Vor der Treppe blieb ich stehen und blickte ins Obergeschoss. Dort schien es ebenso hell zu sein, wie hier unten überall.
Sollte ich hochgehen? Bisher war dies einfach nur ein Haus. Keine Bilder an den Wänden, keine persönlichen Gegenstände. Ich hatte nichts über meinen Vater herausgefunden. Aber war es das, was ich wollte? War es mein Wunsch zu wissen, wer der Mensch war, der mich nie kennenlernen wollte?

Ich hatte nichts über meinen Vater herausgefunden. Aber war es das, was ich wollte? War es mein Wunsch zu wissen, wer der Mensch war, der mich nie kennenlernen wollte?

Flüstert deine Sehnsucht Cozy Romance

„Alles klar?“, fragte Jasper.
Ich nickte.
Er betätigte den Lichtschalter. „Funktioniert auch“, er lächelte. „Warst du schon oben?“
Ich schüttelte den Kopf und sah wieder hoch. Was war dabei? Dort wartete nur ein Obergeschoss. Ich sollte hochgehen und mir die Etage ansehen.
Jasper lehnte sich an den Kamin und verschränkte die Arme. „Du musst da nicht rauf gehen. Du musst auch nicht in diesem Haus bleiben. Ich kann dich zurück ins Dorf bringen.“
Mein Blick traf seinen. Wieso war dieser Mensch noch hier? Warum half er mir in einer schwierigen Situation, obwohl er mich nicht kannte?
Er trug immer noch seine Brille. Sein Blick hatte etwas Weiches.
Ich trat einen Schritt zurück. Jasper stieß sich von der Wand ab und ging an mir vorbei die Treppe rauf. Ich hörte ihn alle Lichtschalter testen. Zwei Türen schwangen auf und er öffnete mindestens ein Fenster.
„Hier ist alles in Ordnung.“
Ich gab mir einen Ruck und folgte ihm. Die Stufen waren aus lackiertem dunklem Holz. Die Dachschrägen ließen den Flur oben kleiner wirken, als er war. Eine große Truhe mit Eisenbeschlägen stand hinter der Treppe. Jasper wartete an einer der beiden offenen Türen.
Sie führten zu zwei Zimmern, von denen jeweils eins am jeweiligen Giebel des Hauses lag.
Die Schlafzimmer wirkten genauso sauber und unbewohnt wie der Rest des Gebäudes. Weiche hellgraue Teppiche verschluckten meine Schritte. Auch diese Wände waren schmucklos und gaben nichts über die Persönlichkeit meines Vaters preis. Das links von der Treppe liegende Zimmer wirkte allerdings bewohnter als das Rechte. 

Beide Zimmer beherbergten Doppelbetten und waren frisch bezogen. Jasper war bereits wieder auf der Treppe. Vermutlich wollte er das letzte kleine Zimmer kontrollieren, das neben der Eingangstür vom Flur abging.
Das Zimmer entpuppte sich als ein schmales Büro. Zwar war alles sauber und ordentlich, nichts lag herum und kein Zettel guckte aus einem der Ordner. Aber doch vermittelte der Raum das Gefühl, als würde er aus allen Nähten platzen.
„Gut. Mir scheint, als wäre das Haus in Ordnung. Kommst du klar?“ Jasper sah mich aufmerksam an.
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte.
„Pass auf. Ich gebe dir meine Karte. Wenn es Probleme gibt, rufst du mich einfach an, ok? Ich komme dann heute Abend noch einmal zu dir.“
„Ist gut, ich komme klar.“
Er legte die Karte auf den Schreibtisch. „Jasper Voigt, Kampfsport Grünwunderland.“ Eine Handynummer stand darauf. Er zog einen Kugelschreiber aus einem Stiftebecher und kritzelte eine Nummer auf die Karte. „Das hier ist meine private Nummer. Die andere ist nur für meine Schüler.“
Dann ging er nach draußen. Ich folgte ihm, um meine Sachen zu holen.

Kapitel 3

Ich wanderte noch eine Weile planlos durch das Haus. Hier öffnete ich einen Schrank, dort zog ich eine Schublade auf. Der Kühlschrank stand offen. Der Stecker war gezogen. Ich steckte ihn wieder hinein und schloss die Tür. Über der Arbeitsplatte an der Wand zum Flur waren Hängeschränke angebracht. In einem davon fand ich unterschiedliche Teesorten. Sie waren alle noch lange haltbar. Ich füllte den Wasserkocher neben der Spüle mit Wasser und schaltete ihn ein.
Die Truhe oben beherbergte etliches Bettzeug in vielfältigen Mustern. Ich suchte mir eine geblümte Frotteebettwäsche aus und bezog das Bett in dem größeren Zimmer, welches auf mich den unbewohnteren Eindruck machte, neu. Der Gedanke, mich in das Bett meines Vaters zu legen, behagte mir nicht. Ich hoffte, dass ich den Raum seiner Mutter erwischte, die schon länger nicht mehr bei ihm gelebt haben soll. Allmählich wurde mir kalt in dem Haus.
Die lauen Spätsommertage lösten sich inzwischen mit ganz schön kalten Nächte ab.
Ich setzte mich mit einem Kamillentee an den Küchentisch und nahm endlich wieder mein Handy in die Hand. „Sieht sehr nett aus! Trinken wir dort bald einen Kaffee, mein Schatz?“, hatte Mama auf das Foto vom Café geschrieben.
„Sobald du zurück bist“, antwortete ich.
Dann öffnete ich meine Notiz-App und begann eine längere Nachricht an Mama zu schreiben. Ich notierte einfach so runter, wie mir die Gedanken kamen. Danach schloss ich die App, nahm Jaspers Karte und speicherte mir beide Nummern ins Handy. An die private Nummer schrieb ich: „Hier ist alles in Ordnung. Vielen Dank für die Hilfe.“
Dann stellte ich den Teebecher in die Spüle, wusch ihn ab und putzte mir im Bad die Zähne.
Ich schleppte den Trolley nach oben und zog mir ein Nachthemd über.
Das Handy vibrierte. „Wunderbar. Schlaf gut!“, kam die Antwort von Jasper.

Flüstert deine Sehnsucht Illa Sabin
Flüstert deine Sehnsucht

Ich stellte mir den Wecker auf sechs Uhr dreißig und startete meine Meditationsplayliste. Dann legte ich das Smartphone auf die Fensterbank.
Ich zog mir die Decke über den Kopf und weinte.
Das Einschlafen dämpfte meinen ruhelosen Verstand erst sehr spät. Entsprechend gerädert fühlte ich mich, als die Weckfunktion mich am nächsten Morgen aus dem Bett warf. Ich stand auf und machte mich fertig. Die letzten vier Tage hatte ich sinnlos in Mamas und Bellas Wohnung herumgelungert. Ich hatte mich nicht vor die Tür getraut, konnte aber auch nicht stillsitzen.
Hier wollte ich mich nicht mehr einsperren. Ich nahm mir saubere Sachen mit ins Erdgeschoss und suchte die Dusche auf. Anfänglich floss nur altes Wasser aus dem Duschkopf, und ich zuckte erschrocken zurück, bis sich das Warme dann einstellte.
Ich trocknete mich ab und zog mir Jeans, Sneaker, ein pinkfarbenes Shirt und meine Jeansjacke über. Darauf schloss ich das Haus ab und trat auf die Straße. Mir kam eine joggende Blondine entgegen, die allem Anschein nach sehr bemüht war, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Sie schnaufte wie ein verendender Hirsch, hielt sich die rechte Seite und zwang sich intensiv, überhaupt noch voranzukommen. Ein schwaches Lächeln huschte über ihre Lippen, als sie sich näherte.
„In die Richtung geht es doch zum Ort oder?“, fragte ich trotz ihres Zustandes.
Sie blieb stehen, beugte sich in einer verzweifelten Geste vor und stützte ihre Hände auf den Knien ab. Eine Weile atmete sie konzentriert. Als sie versuchte zu sprechen, hatte sie Mühe, einen Satz zu formulieren. „Wohin willst du?“, brachte sie schlussendlich mühsam hervor.
„Zur Zuckerperle erst einmal“, mein Magen knurrte laut, als ich das sagte.
„Dann gehst du einfach in die Richtung, aus der ich gekommen bin, biegst bei der nächsten Gelegenheit links ab und dann bei der dritten rechts. Stell dich auf eine gute halbe Stunde Fußweg ein.“
„Danke.“
Sie wollte weiterjoggen, blieb aber noch einmal stehen. „Wohnst du jetzt hier?“
„Vielleicht. Zumindest gehört mir das Haus.“
„In dem Fall: Willkommen im Schönbrunner Weg. Ich bin Nora.“
„Hallo“, ich schüttelte ihre Hand und stellte mich vor.
„Wir sehen uns“, sie winkte und joggte langsam weiter. Sie war eine Kämpferin. Dann blieb sie doch noch einmal schwer atmend stehen und drehte sich wieder zu mir um. „Darf ich dein Handy kurz ausleihen? Meins liegt leider zu Hause.“
Nachdem ich es ihr gegeben hatte, telefonierte sie. „Hi, ich bins. Kannst du mich abholen … Lach nicht … Stehe am Johannsen-Haus. Ich kann nicht mehr… Danke.“ Sie legte auf und reichte mir schief lächelnd das Handy zurück. „Das war heute erst meine zweite Jogging-Runde.“
Ich lächelte verständnisvoll. „Verstehe.“ Sie konnte ja auch morgen noch kämpfen.
Die Blondine verabschiedete sich und ging langsam die Straße weiter entlang.
Ich stellte mich auf die gegenüberliegende Straßenseite und fotografierte das Haus. Anschließend folgte ich der Beschreibung, die sie mir gegeben hatte. Eine halbe Stunde später saß ich in der Zuckerperle vor einem veganen Bagel, der unter dem großzügig bedachten Belag kaum zu sehen war, und einem weiteren Kaffee Latte mit Karamellsirup. Vermutlich würde ich in diesem Laden nichts anderes mehr trinken, weil der Sirup mich verführt und meine Seele gestohlen hatte.
Die Bedienung Malu hielt einen unverfänglichen Plausch mit mir und hantierte hinterher in der Küche.
Als ich fertig war, zahlte ich und ging zum Blumenladen. Dort wartete ich vor der Tür, bis aufgeschlossen wurde.
„Hi“, sagte die Frau, die Jasper so ähnlich sah. „Du brauchst Blumen?“
Ich reichte ihr die Hand. „Mein Name ist Ria. Also eigentlich Viktoria. Jasper hat mir erzählt, Sie benötigen dringend Hilfe im Laden und ich könnte heute früh anfangen.“
Sie blinzelte kurz. „Sagt er das?“
„Ich habe mir nach dem Aufstehen kurzfristig überlegt seinem Vorschlag zu folgen, er weiß davon nichts.“

„Okay.“ Sie dehnte das Wort übermäßig lang. „Komm doch erst einmal rein und lass uns einen Kaffee trinken.“

Sie ließ die Tür hinter mir ins Schloss fallen und führte mich zu dem Schreibtisch unter der Treppe. Das Licht der Schreibtischlampe tauchte die Ecke in grelles Licht. In der Küche gluckerte eine Kaffeemaschine vor sich hin.
„Setz dich.“ Sie reichte mir die Hand. „Ich bin Milla.“
„Bin gleich da“, rief jemand von oben. Ich könnte mich irren, aber ich glaubte, die Stimme gehörte zu Jasper.
„Bist du Floristin?“, fragte sie mich.
„Nein. Aber ich kann Blumen ausliefern. Und ich wäre bereit, zu lernen, wie man Sträuße bindet. Aufräumen und sauber machen kann ich ebenfalls. Mit der Kasse werde ich vermutlich schnell klarkommen.“
Sie nickte. „Gut. Das ist ein Anfang.“
Die Treppe knarzte, als Jasper herunterkam.
„Hey“, sagte er überrascht. Er hatte nasse Haare und auf seinem T-Shirt befanden sich Wasserflecken. „Du bist hier? Ist was passiert?“
„Wir führen ein Vorstellungsgespräch,“ sagte Milla. Sie warf ihm einen Blick zu, den ich nicht deuten konnte.
„Gott sei Dank!“, entfuhr es Jasper. Er zog mich hoch und drückte mich fest an sich. Sein Geruch nach herbem Duschgel und frischer Wäsche hüllte mich ein. Völlig überrascht über diese unerwartete Form der Zuneigung hielt ich einfach mal still. Er war warm und die Kraft seiner Arme löste ein Sehnen in mir aus, von dem ich nicht gedacht hatte, dass ich es in mir trug. „Du kannst dir nicht vorstellen, wie glücklich du mich mit deinem Entschluss machst!“
„Oh. Also bis jetzt bin ich noch nicht eingestellt.“
Jasper ließ mich los. „Ach na gut. Dann setz dich erstmal wieder.“ Er wirkte ein wenig enttäuscht. „Ich hole den Kaffee.“
Jasper verdrückte sich in die Küche. Zuerst brachte er einen weiteren Stuhl an den Büroplatz. Dann trödelte er nach vorn in den Laden und kehrte kurz darauf wieder zurück. Zuletzt holte er eine Kaffeekanne und drei Becher.
„Hast du deinen Ausweis dabei? Eine Anschrift? Steuer-ID-Nummer?“
Ich nickte und zog meinen Personalausweis aus meinem Portemonnaie. Als aktuelle Anschrift notierte ich ihr die Adresse vom Haus meines Vaters und zusätzlich gleich den Namen meiner Krankenkasse. „Meine Steuer-ID-Nummer und meinen Sozialversicherungsausweis habe ich gerade nicht dabei. Aber ich reiche dir natürlich beides nach.“ Sobald ich in der Wohnung meiner Mütter in Hamburg einkehren würde, in der ich meinen Ordner liegen lassen hatte.
„Okay. Also wir sind, wie unschwer zu erkennen ist, ein kleiner Blumenladen. Den Großteil unserer Einnahmen verdienen wir über regelmäßige Kunden wie den Gutshof, der Zuckerperle, Finnjas Gasstuv und so weiter. Sie erhalten mindestens wöchentlich frische Sträuße von uns. Zusätzlich wären da noch Beerdigungen, Geburtstage, Jubiläen, Hochzeiten und ähnliche Anlässe zu nennen.
Richtig, dass viel sauber gemacht werden muss. Im Moment komme ich schon fast nicht mehr hinterher, obwohl Jasper mir sehr hilft. Bis zum Sommer haben zwei Mitarbeiterinnen mit mir hier gearbeitet. Eine von ihnen befindet sich nun in ihrer wohlverdienten Rente und die Andere ist im sechsten Monat schwanger. Leider hat sie Schwangerschaftskomplikationen und wurde früher in den Mutterschutz geschickt“, erklärte Milla.
„Das ist ärgerlich.“

Flüstert deine Sehnsucht Illa Sabin
Flüstert deine Sehnsucht

Sie nickte. „Natürlich soll es ihr und dem Baby gut gehen, aber mir fehlt dadurch eine volle Arbeitskraft.“ Ihre Stimme klang ein wenig enttäuscht. Doch sie erklärte in einem Zug weiter: „Wir haben gut laufende Social-Media-Kanäle, die wir regelmäßig pflegen. Ein großer Teil der Kunden kommt tatsächlich darüber.“
„Du wirst von uns in Ruhe in alles eingearbeitet“, sagte Jasper.
„Suchst du nach einem langfristigen Arbeitsplatz?“, fragte Milla.
„Ist das für den Anfang wichtig?“, stellte ich die Gegenfrage.
„Ich sage dir meine ehrliche Meinung: Im Moment bin ich so am Absaufen, dass ich jeden einstellen würde. Aber dass du hier so plötzlich vor meiner Tür auftauchst und Arbeit von mir willst, nachdem du noch nicht einmal einen ganzen Tag in Grünwunderland verbracht hast, sieht für mich merkwürdig aus. Hast du Probleme mit der Polizei?“
Ich schüttelte den Kopf. „Mein Leben in Hamburg ist vor wenigen Tagen vollkommen zusammengebrochen. Kurz zuvor hatte ich erfahren, dass mein leiblicher Vater gestorben ist und mir seinen Besitz vererbt hat. Ich bin auf meinem just vererbten Grundstück untergekommen, weil ich nicht zurückkann.“
Jasper saß still neben uns und trank Kaffee. Milla sah mich eine Weile nachdenklich an. „Ich geh mal eben mit Jasper hoch. Wir sind gleich wieder zurück, ja?“
Jasper grinste mich an und stellte seinen Becher auf den Schreibtisch.
Sie gingen nach oben und führten eine leise Unterhaltung, die ich nicht hören konnte. „Na gut“, sagte Milla dann laut. „Wenn du meinst.“
„Meine ich“, erwiderte Jasper.
Nach ihrem kurzen Gespräch kamen sie wieder zu mir.
„Ich stelle dich ein, aber erst einmal nur auf zwei Wochen zur Probe. Dann ist der September ohnehin vorbei. Sollten wir beide gut miteinander auskommen, verlängere ich deine Einstellung um einen Monat. Egal, was in diesem Probezeitraum passiert, du erhältst die entsprechende anteilige Bezahlung dafür, sofern du hier jeden Tag für mich arbeitest.“



„Klingt fair.“ Ich reichte ihr die Hand, und sie schlug ein.
Jasper klopfte mir auf die Schulter. „Willkommen im Team. Lass uns gleich anfangen.“ Er führte mich nach vorne. „Als Erstes schließt du die Tür wieder auf, da wartet nämlich schon jemand. Den Schlüssel gibst du anschließend mir.“
Ich ging schnell zur Eingangstür und drehte den Schlüssel herum, der im Schloss steckte. Mit einem Lächeln auf den Lippen zog ich die Tür auf und ließ zwei ältere Damen und einen Herrn eintreten. „Hereinspaziert“, sagte ich.
Die drei Kunden grüßten mich zurückhaltend, Jasper kannten sie anscheinend. Milla kam von hinten dazu und machte sich umgehend ans Werk. Ich wurde von Jasper einmal überallhin geführt. Er zeigte mir alle Schränke, in denen sie Material aufbewahrten, und erklärte mir, wofür sie es brauchten.
Er bemerkte, dass Milla gerade dabei war, für eine der beiden Kundinnen einen Strauß zu binden, während die Andere sich eine Topfpflanze ausgesucht hatte und nun wartend an der Kasse stand.
„Hier kassieren wir einmal ab“, sagte er leise zu mir.
Ich folgte ihm an den Verkaufstresen. „Sie haben etwas gefunden?“, fragte ich die Dame.
Sie nickte und stellte eine kleine Rose auf die Theke.
„Einpacken?“ Jaspers Wispern kitzelte mich am Ohr.
Ich widerstand dem Drang, über meine erschauderte Haut zu wischen, und widmete mich freundlich der Kundin. „Darf ich die Rose für Sie einpacken?“, fragte ich, während Jasper das Preisschild abzog.
Die Dame nickte und ich schlug die Blume in Papier ein. Hier ein Streifen Klebeband, da noch einer und fertig. Jasper hielt mir das Preisschild vor.
„Das macht fünf Euro“, sagte ich.
Die Dame gab mir einen Fünfer und verließ zufrieden den Laden. Ich strahlte innerlich, als hätte ich heute Geburtstag. Jasper zog mir die Kasse auf und ich sortierte das Geld, bei den anderen Fünf-Euro-Scheinen ein.
„Sie warten auf einen Strauß?“, fragte Jasper den Herren, der hinter der zweiten Kundin wartete.
„Genau.“
„Dann müssen Sie sich einen Moment gedulden.“
Jasper zog mich nach hinten und lehnte die Zwischentür an. „Wenn nichts zu tun ist, räum den rückwärtigen Bereich bitte unbedingt auf. Inzwischen ist es hier so zugestellt, dass man weder gehen noch arbeiten kann.“
In der Küche thronte dreckiges Geschirr auf wichtig aussehenden Unterlagen. Dazwischen tummelten sich unterschiedlichste Dekoartikel. Offene Kisten mit Blumentöpfen türmten sich auf dem Boden. Circa fünfzig Strohrömer waren im ganzen Raum verteilt, Paketboxen mit einer Drohne, Kuschelteddys und Unterhosen gesellten sich dazu. Und auf allem drauf lagen schmutzige Geschirrtücher, dreckige Klamotten und ein wildes Sammelsurium an Schuhen.
„Okay, ich hatte es ja so gewollt.“
Jasper lachte und zog einen Geschirrspüler auf, der wie durch Zauberhand hinter all den Kartons auftauchte.
Ich sortierte das schmutzige Geschirr ein, während Jasper all die privat aussehenden Sachen die Treppe hinaufschleppte. Versteckt hinter Kartons mit Bindedraht und Plastikpflanzschalen, fand ich tatsächlich auch noch eine Waschmaschine.
„Funktioniert die?“ Begeisterung schwang in meiner Stimme, als Jasper das nächste Mal vollbeladen an mir vorbeizog. Nichts war schöner, als ein Chaos, dass sich schnell beseitigen ließ und in einer Waschmaschine konnten spontan so viele schmutzige Textilien verschwinden!
Er nickte und so warf ich alle Geschirrtücher hinein. Dann räumte ich den Rest vom Küchentisch. Ich sammelte die Papiere ein und sichtete sie kurz. Die drei Mahnungen legte ich oben auf und deponierte sie auf dem Papierberg, der den Schreibtisch beherrschte. Als Nächstes zog ich die Tischdecke ab und warf sie mit in die Wäsche. Fünf Minuten später rödelte die Maschine vor sich hin. Ihre charakteristischen Geräusche lösten eine angenehme Zufriedenheit in mir aus.
Jasper deutete nach vorn zur Tür und so steckte ich einmal den Kopf in den Verkaufsraum. Eine neue Kundin wartete mit einer Topfpflanze.
Ich nahm sie ihr ab, packte sie ein und kassierte. Milla schien auf ihrem Bindeplatz festgewachsen zu sein. Noch eine Person trat ein.
Sie steuerte direkt auf mich zu und hielt mir ihr Handy hin. Das Display ihres Smartphones zeigte eine graue Pflanzschale mit Rosenapplikationen, die mit Efeu, einer altrosafarbenen Rose und Pfennigkraut bepflanzt war. „Haben Sie davon noch welche?“
Ich erinnerte mich, vorhin auf meiner Tour mit Jasper eine solche gesehen zu haben, und suchte sie aus dem riesigen Angebot aus Pflanzen zielsicher heraus. Nachdem die Kundin fort war, kehrte ich zurück in die Küche.
Jasper war nicht zu sehen. Ich ließ Wasser und einen Tropfen Spülmittel in das Becken laufen. Bewaffnet mit einem Schwamm putzte ich die Küche und den Tisch. Zwischendurch warf ich immer wieder einen Blick nach vorn, um Milla eventuelle Kunden abzunehmen.

Tropes in Flüstert deine Sehnsucht

Jasper tauchte unten wieder auf. Er trug seine Brille und hielt die Papiere in der Hand, die ich vorhin sortiert hatte.
„Wow, bist du schnell“, sagte er, als er die saubere Küche sah.
„Können diese Sachen hier vorne irgendwo einsortiert werden?“ Ich deutete auf die Kisten, die ganz offensichtlich Material für den Verkauf enthielten.
„Das müssen wir mit Milla besprechen. Sie ärgert sich maßlos darüber, wenn sie Dinge suchen muss, weil jemand sie ungefragt irgendwohin geräumt hat.“
„Können wir den Schreibtisch aufräumen?“ Ich war voller Tatendrang und warf vorsichtshalber nebenbei einen Blick nach vorne.
„Machen wir.“
Jasper und ich setzten uns an den von Papieren überquellenden Arbeitsplatz. Ich schaltete die Lampe ein und Jasper begann einige Dokumente hin und her zu schieben. Ich sah, dass er zwei bezahlte Forderungen mit der gleichen Anzahl beglichener Rechnungen eines Kunden auf einen Stapel legte und spürte, wie sich meine innere Buchhalterin unter dieser Katastrophe wand, sagte jedoch nichts. Er sortierte drei offene Forderungen auf einen anderen freien Platz auf dem Tisch und zwei Mahnungen auf einen dritten Stapel. 
Obwohl die eine Mahnung der Auftragsnummer nach, ganz offensichtlich zu einer der Forderungen gehörte, die er gerade woandershin gelegt hatte. Dann kam ein vierter Stapel mit Lieferscheinen dazu, ohne dass er überhaupt einen Blick auf die Auftragsnummern der Lieferscheine warf.
Meine innere Buchhalterin hatte genug. „Stopp“, sagte ich laut.
Er warf mir einen gespannten Blick über den Rand seiner Brille hinweg zu. Meine Güte, wie das aussah! Der hatte doch bestimmt eine feste Freundin, die ihn durchweg anhimmelte.
„Das geht so nicht,“ ich fischte die Forderung und die zugehörige Mahnung heraus und klemmte sie mit einer Büroklammer zusammen. „Das hier ist ein Vorgang.“ Ich durchsuchte die Lieferscheine und fand tatsächlich einen, der ebenfalls dazu gehörte. 

„Jetzt kann diese ganze Geschichte kontrolliert werden.“
„Gut“, sagte er und nickte, als ich ihm die Nummern zeigte.
„Die hier sind vom Kunden. Bewahrt ihr die nicht getrennt von euren Forderungen auf? So verliert man leicht den Überblick.“
„So?“ Er reichte mir den Rest Papiere, den er in der Hand hielt.

Nach fünfzehn Minuten hatte ich fünf saubere Stapel und legte sie der Wichtigkeit nach abwärts sortiert aufeinander, immer einen quer und einen längs.
„Das war gut,“ sagte er und besah sich die geordneten Vorgänge.
„Wie ist denn eure Vorgehensweise?“
„Bisher haben wir kein einheitliches Konzept.“
„Ach so. Ihr könntet die Lieferscheine auch getrennt von den Rechnungen des Lieferanten aufbewahren. Aber irgendwo muss ja die Kontrolle dokumentiert werden, welche Lieferungen eingehen und ob sie bezahlt wurden. Oder habt ihr ein Buch für so etwas?“
Er sah mich eine Weile an. „Als was hast du vorher nochmal gearbeitet?“
„Ursprünglich als Buchhalterin. Später im weitesten Sinne als Sekretärin.“
„Buchhalterin“, sagte er gedehnt.
„Ich weiß, staubtrocken und langweilig.“ Ich erwiderte sein Grinsen. Wie ich diesen Beruf geliebt hatte! Nichts auf dieser Welt war so zuverlässig wie Zahlen!
Ich warf einen Blick in den Laden. Dort fand ich zwei Kundinnen, denen ich helfen konnte. Milla war inzwischen dazu übergegangen, die Sträuße für den heutigen Tag zu binden. Sie bat mich, die dafür vorgesehenen Eimer auszuleeren, durchzuspülen und wieder eine Handbreit mit Wasser zu füllen.
Als diese Aufgabe erledigt war, half ich ihr, kleine Preisschilder für die Sträuße zu schreiben, die für den Verkauf gedacht waren, und klebte sie auf die Blätter. Milla setzte die frisch gebundenen Blumen ins Wasser.
Im Flur schien Jasper immer noch in die Papiere vertieft zu sein, und so widmete ich mich dem Schreibtisch, den ich samt Computer mit einem sauberen Lappen abwischte. All die kleinen Zettelchen, die herumlagen, stapelte ich und legte sie unter den Monitor.
Inzwischen empfand ich das Hinterzimmer als nicht mehr ganz so einengend. Vorn im Verkaufsraum sah ich Milla beim Binden über die Schulter.
Sie erklärte mir, wie sie vorging. Als sie den gerade begonnenen Strauß fertig hatte, forderte sie mich auf, aus der Auswahl an Schnittblumen, die im Verkaufsraum an der Wand standen, eine große Blume, zwei Mittlere und drei Kleine herauszusuchen. Sie sollten in Form und Farbe gut miteinander harmonieren. Wichtig war ihr, dass ich mich dabei auf mein Gefühl verließ. Ich entschied mich für eine weiße gefüllte Rose, zwei altrosa farbene Nelken und drei weißblütige Ehrenpreisstängel. Mit dieser Auswahl sollte ich mein Glück versuchen. Sie half mir, indem sie mir grünes Beiwerk reichte und die Haltung der Blumen in meiner Hand korrigierte. Und auf einmal war mein erster Strauß schon fertig.
Wir setzten einen Preis fest und er bekam einen Platz in einem der Verkaufseimer.
Milla freute sich mindestens so sehr wie ich.
Beim Binden war mir aufgefallen, wie viele abgeschnittene Pflanzenreste sich bereits unter Millas Füßen angesammelt hatten, und so holte ich einen Besen, fegte die Abschnitte zusammen und entsorgte sie.
Jasper hatte den Computer hochgefahren und grinste mich schon wieder fröhlich an, als ich mich zu ihm setzte. „Ich muss jetzt kontrollieren, welche der Rechnungen wir bereits über das System bezahlt haben und ob uns Forderungen online vorlagen und beglichen wurden.“
Ich blieb bei ihm, bis er diese Aufgabe abgeschlossen hatte. Mir erschloss sich der Zahlungsverkehr auf Anhieb nicht. Generell hielt ich einen solchen Zustand für ein ungutes Zeichen, weil ich normalerweise ein absurd gutes Gefühl für Bilanzen hatte und mich schnell in Zahlen zurechtfand. Allerdings war ich nicht mit meiner gesamten Konzentration bei der Sache. Mein innerer Aufruhr, wegen des neuen Arbeitsplatzes war zugegeben hoch genug, um meine Wahrnehmung zu trüben. Nicht zu vergessen, die Ablenkung durch die Kunden, die im Verkaufsraum immer wieder meine Aufmerksamkeit beanspruchten und der Rest meine gegenwärtige Situation betreffend.
Ich beobachtete Jasper bis Milla mich erneut zu sich rief, um mir zu zeigen, was beim Einschlagen der Sträuße zu beachten war und wie ich Geschenke einpacken sollte.
Als Jasper fertig war, bat Milla mich, drei weitere kleine Sträuße so zu binden, wie ich es zuvor mit ihrer Hilfe getan hatte, jedoch nur mit einer Blume und sonst Beiwerk. Sie sollten unter vier Euro kosten. Eifrig kam ich ihrer Bitte nach, während sie den Eimer mit Rosen an einen anderen Platz mitnahm und sich einem großen Grabgesteck widmete.
Dann stand Jasper im Verkaufsraum. Er wartete bis die Kundschaft, die ich gerade bediente, gegangen war, und schloss nach ihr die Tür. Das „Geöffnet-Schild“ drehte er um.
„Mittagspause“, sagte er.
Ich sah verwundert zur Uhr. Milla kam mit den restlichen Rosen zurück. „Das Erste hab ich fertig. Drei noch.“
„Machst du Pause?“
Sie nickte. „Wollen wir bei Wiebke essen?“
„Unbedingt“, erwiderte Jasper.
„Wir laden dich ein“, sagte Milla zu mir.

***

Der Nachmittag plätscherte genauso dahin, wie der Vormittag. Inzwischen war ich mit Milla allein, da Jasper einen Termin wahrnehmen musste. Als wir den Laden am Abend schlossen, schlug Milla mit mir ein. Alles war sauber und aufgeräumt. Meine Beine brannten vom ungewohnt langen Stehen und hin und herrennen. Aber da ich ohnehin abnehmen wollte, nahm ich es so hin und versuchte, mich über jede verbrannte Kalorie zu freuen.
„Bist du morgen, auch wieder da?“
„Sehr gerne.“
Milla freute sich. „Ich fahr dich eben raus nach Hause.“
Fünf Minuten später stand ich vor dem leeren Kühlschrank im Haus meines Vaters und wusste, dass ich etwas Wichtiges vergessen hatte.

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